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Geldratgeber vom 14. Juli 2011
von Maximilian Reimann
Manchmal frage ich mich, warum es immer Leute gibt, die dem Volk irgendeinen Teufel an die Wand malen. Diesmal ist von der Verlegung von 100‘000 Arbeitsplätzen ins Ausland die Rede.
Ich habe in meiner politischen Laufbahn schon einiges erlebt, das von gewissen Kreisen – mit viel Medienhilfe – aufgebauscht wurde und nach einiger Zeit wieder in sich zusammensackte. Die eigene Partei nehme ich dabei nicht ganz aus, obwohl bei ihr die Medienhilfe meist null bis spärlich ist. Heult es aber von der anderen Seite des politischen Spektrums wie eben wegen des überteuerten Schweizerfrankens, der angeblich zur Auslagerung von 100‘000 Arbeitsplätzen in Billiglohnländer führt, dann plappern das viele Journalisten willig nach. Ist also die Forderung von Frau Leutenegger Oberholzer & Co., den Schweizerfranken umgehend an den Euro anzubinden, seriös oder purer Unsinn? Eine Frage, die letztlich das Portemonnaie eines jeden Schweizers betrifft.
Verfassungsänderung unumgänglich!
Allein schon die formellen Voraussetzungen machen deutlich, dass man den Franken gar nicht hurtig an den Euro koppeln kann. Der BV-Artikel 99 über unsere Geld- und Währungspolitik müsste nämlich vorerst geändert werden. Das dauert selbst im Dringlichkeitsverfahren rund zwei Jahre und bis dann haben wir weltweit allemal wieder andere Währungsverhältnisse. In diesem Artikel hält die Verfassung nämlich fest, dass die Schweiz eine unabhängige Geld- und Währungspolitik zu führen hat, und nicht eine solche, die von Brüssel und der EZB in Frankfurt diktiert ist. Das letzte Wort über die künftige Eigenständigkeit unseres bewährten Schweizerfrankens liegt also in den Händen von Volk und Ständen. Ich kann mir aber allen Ernstes nicht vorstellen, dass unser Souverän das Schicksal seiner Landeswährung an dasjenige des massiv angeschlagenen Euro koppeln möchte.
Euro mit höchst unsicherer Zukunft
Die Grundidee zur Schaffung des Euro vor 12 Jahren war durchaus positiv, hätten sich all jene Länder, die ihn übernommen haben, felsenfest an die Maastrichter Stabilitätskriterien gehalten. Doch statt dessen wurde gemogelt und getrickst, bis das Fundament einbrach und die Schummeleien ans Tageslicht kamen. Und das ging überraschend schnell. So würdigte noch im Herbst 2008 der eben abgetretene deutsche Botschafter in der Schweiz, Andreas von Stechow, in seinem Abschiedsbesuch „Persönliches zur Schweiz“ den starken Euro auch als Modell für die Schweiz. Er notierte damals bei Fr. 1.63. Inzwischen hat er rund 30 % eingebüsst und das Misstrauen hat sich noch längst nicht gelegt. So lange die stark verschuldeten Euro-Länder von den anderen quasi mit der Milchflasche gesäugt und über Wasser gehalten werden müssen, sieht die Zukunft der europäischen Einheitswährung düster aus. Und das kann noch lange gehen…
Die Vorteile nicht übersehen!
Bis jetzt hat es die Schweizerische Nationalbank versucht, mit gezielten Deviseninterventionen den Absturz des Euro gegenüber dem Franken zu bremsen. Das Ergebnis ist bekannt, ein totales Fiasko mit Währungsverlusten von gegen 40 Milliarden Franken. In der Privatwirtschaft müsste wohl jeder den Hut nehmen, der derart Misswirtschaft betrieben hat. Zu erinnern wäre etwa an UBS-Chef Marcel Ospel. Nicht so beim Staat. Da wäscht häufig die eine Hand die andere. Ein Wunder, dass man überhaupt den untauglichen Bundesanwalt Beyeler losgeworden ist! Aber nochmals Milliarden einsetzen, um den Franken doch noch an den Euro anzubinden, kommt erstens nicht in Frage und ist zweitens auch nicht machbar. Ein starker Franken hat auch seine Vorteile. Er zeugt von einem soliden Staatshaushalt und einer kraftvollen Wirtschaft. Zudem verbilligen sich die Einkäufe von Rohstoffen und Investitionsgütern im Ausland, und selbstverständlich auch im Detailhandel, wie jedermann weiss, der regelmässig ennet der Grenze posten geht.
Natürlich drückt ein überbewerteter Franken die Margen von Exportindustrie und Tourismus und gefährdet damit Arbeitsplätze. Aber dass nun gleich 100‘000 ins Ausland verlagert würden, ist effektiv den Teufel an die Wand gemalt und wohl am ehesten mit Wahlkampfhysterie zu erklären. Es gab und gibt immer wieder Unternehmen, die Arbeitsplätze ins Ausland verlagern, aus unterschiedlichsten Gründen. Es gab und gibt aber ebenso Unternehmen, die neue Arbeitsplätze im Inland schaffen oder überhaupt neu in der Schweiz Fuss fassen. Gemessen an der Arbeitslosenquote wie auch an der Erwerbsquote (Anteil der Erwerbstätigen an der Gesamtbevölkerung) präsentiert sich die Schweiz weltweit nach wie vor absolut erstklassig. Diese Botschaft steht für mich im Vordergrund und nicht das Lamento über einen leidigen Einzelfall – wie derzeit etwa beim Metallwerk in Dornach.