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von Maximilian Reimann, Ständerat, Gipf-Oberfrick (AG).
In der NZZ vom 27. Mai stimmt der emerierte Politikwissenschafter Leonhard Neidhart ein hohes Lied auf den Ständerat an. Als einer, der nun im 16. Jahr diesem Gremium angehört, kann ich seiner Laudatio weitgehend beipflichten. Mit einer gewichtigen Ausnahme! Ich meine damit das Abstimmungsverfahren im Ständerat. Dieses entzieht sich weitgehend öffentlicher Transparenz, und das ist es, was SVP-Parteipräsident Toni Brunner als „Dunkelkammer“ bezeichnet hatte. Damit ritt er nicht, wie Neidhart in völliger Verzerrung der Fakten annimmt, eine Schimpfattacke gegen die Ständekammer, wo „Dunkelmänner und –frauen sitzen und krumme Sachen machen“.
Im Ständerat wird in althergebrachter Weise mit Handerheben abgestimmt. In wenigen Sekunden ermitteln zwei Stimmenzähler das Ergebnis. Niemand hat den vollen Überblick, weder wir im Ratssaal, noch Journalisten oder Besucher auf ihren Tribünen. Offensichtliche Fehler beim Zählen werden gelegentlich durch eine Wiederholung der Abstimmung nachgebessert. Eine namentliche Registrierung, wer wie gestimmt hat, erfolgt nicht. Dies im Gegensatz zum Nationalrat, wo elektronisch abgestimmt und das Ergebnis in voller Transparenz der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, wie es einer modernen Demokratie wohl ansteht!
Schon dreimal wurde in den letzten Jahren von innen versucht, auch den Ständerat zu einem transparenten Abstimmungsverfahren zu bringen. Die Wählerinnen und Wähler in den Kantonen sollen doch erfahren dürfen, wie ihre Standesvertreter in Bern von ihrem Stimmrecht Gebrauch gemacht haben oder ob sie überhaupt anwesend waren. Aber alle entsprechenden Anträge, zunächst von Jean-Claude Cornu (FDP, Fribourg), dann von Christiane Brunner (SP, Genf) und jüngst von mir wurden im Verhältnis 2 zu 1 abgelehnt. Ob man letztlich auf dem Weg über die Volksinitiative für mehr Abstimmungstransparenz im Ständerat sorgen muss? Bestrebungen dazu sind mir jedenfalls bekannt. Sicher ist, dass dann Toni Brunner das Negativprädikat „Dunkelkammer“ für den Ständerat nicht mehr in den Mund zu nehmen bräuchte…