Textversion

Arabische Christen sehen es anders


Leserbrief zur Minarette-Initiative

An einer Veranstaltung in Frick hat der Generalvikar des Bistums Basel, Pater Roland B. Trauffer, eine ganze Reihe von Gründen aufgezählt, warum die katholische Kirche, aber auch die anderen christlichen Religionen der Schweiz, die Anti-Minarette-Initiative ablehnen. Ich hatte eben Gelegenheit, an einer politischen Studienreise nach Syrien teilzunehmen und konnte im persönlichen Gespräch feststellen, dass es die Christen in diesem arabischen Land ganz anders sehen. Die syrische Bevölkerung besteht aus 80 % Muslimen, 15 % Christen und 5 % anderer Religionen. Nennenswerte inter-religiöse Probleme existieren in Syrien nicht. Aber weil die christlichen Kirchen in vielen anderen muslimisch dominierten Staaten benachteiligt bis echt diskriminiert sind, habe ich von christlichen Syriern nur positive Reaktionen zur Minarette-Verbotsinitiative in der Schweiz erhalten. Es sei richtig, dass man auf diese Weise im christlichen Westen ein politisches Zeichen gegen die religiöse Intoleranz diverser muslimischer Länder setze. Wenn Toleranz zur Einbahnstrasse verkommt, gereiche das den Toleranten auf Dauer zu fatalen Nachteilen.

Und wie reagierte man in offiziellen Kreisen Syriens auf die Minarette-Initiative? Belastet sie, wie von den Gegnern behauptet, das bilaterale Verhältnis zur Schweiz? Für mich überraschend war die Erkenntnis, dass die Initiative weder in politischen Gremien noch in den Medien überhaupt ein Thema war. Ob sich das ändern würde, falls das Volksbegehren vom Schweizer Volk angenommen wird, dafür gab es keine Anzeichen. In Syrien hat man andere Probleme und entsprechend auch andere Erwartungen an die Schweiz. Syrien will die Golanhöhen zurück, als Grundlage für einen dauerhaften Frieden mit Israel und damit für eine Verbesserung des politischen Verhältnisses zum Westen. Von der Schweiz als neutralem Staat erwartet man folglich weiterhin gute Dienste zur Erlangung dieser Ziele, Minarette in hiesigen Landen hin oder her.

Maximilian Reimann, Ständerat, Gipf-Oberfrick